Jakob Lipp hat 4,93 von 5 Sternen 111 Bewertungen auf ProvenExpert.com Phänomen: Warum nur wollen im Restaurant alle draußen sitzen? - Jakob Lipp, Keynote Speaker
Phänomen
30. Juli 2024

Phänomen: Warum nur wollen im Restaurant alle draußen sitzen?

by Jakob Lipp in Allgemein , Social Media , Travel
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Im Sommer sind die Außenbereiche von Restaurants und Bars meist überfüllt. Diese Norm bleibt bestehen, obwohl sich unsere Welt verändert hat. Hier ein Plädoyer für das kulinarische Indoor-Erlebnis in den warmen Monaten.

Das Stimmengewirr ist ohrenbetäubend, Hunde laufen zwischen den Tischen umher, und überall sieht man Menschen in Flipflops, die vom Sommer gezeichnet sind. Die Weingläser beschlagen, der Wein wird warm, und Fliegen sowie Wespen belagern die Tische. Trotzdem entschuldigt sich das Personal oft mit dem Satz: „Leider haben wir nur drinnen Plätze frei.“ Wunderbar, den nehmen wir!

Obwohl die Temperaturen steigen, zieht es die Mehrheit weiterhin nach draußen. Menschen sitzen im staubigen Schotter oder auf der Straße, wo Metallstühle unangenehm kratzen. Sie sitzen unter Viadukten, in überfüllten Gärten oder dicht gedrängt auf heißen Terrassen – Hauptsache draußen.

Doch ist das noch zeitgemäß, wenn unsere Sommer immer heißer werden und die Städte vor Hitze glühen? In Städten wie Barcelona oder Athen sitzen meist nur Touristen oder Raucher draußen in den Restaurants. Die Einheimischen findet man drinnen, wo die Sonne nicht brennt, ein Lüftchen weht oder die Klimaanlage für Abkühlung sorgt.

Diese Erkenntnis scheint hier noch nicht angekommen zu sein. Früher, als Sommer oft von Wolken und Gewittern unterbrochen wurden, machte es Sinn, jede Schönwetterlage zu nutzen. Doch heute steigen die Temperaturen in den Städten oft über 35 Grad.

Während der Pandemie saßen wir gezwungenermaßen draußen. Jetzt genieße ich es, in die gemütlichen Innenräume eines Restaurants einzutauchen und der Outdoor-Norm zu entfliehen. Es ist schön, fast allein zu sitzen, die Haltung zu bewahren und keine Schweißperlen auf der Stirn zu haben, während der Raum trotz weniger Gäste lebt.

Hier kommen die Speisen frisch aus der Küche, Bestellungen werden aufgenommen, und das Personal scherzt miteinander. Durch geöffnete Fenster weht frische Luft und der Hunger bleibt. Zufrieden genieße ich im angenehm kühlen Innenraum eine ordentliche Portion Pasta und trinke Rotwein, keinen Rosé.

Drinnen liegt die wahre Heimat eines Restaurants, nicht draußen, wo alles oft gleich aussieht: bunte Schirme und Vintage-Stühle. Wir sehnen uns doch nach Individualität und Abwechslung, nicht nach Sommer-Monotonie!

Historisch gesehen war das Indoor-Essen ein Privileg. Früher aß man gezwungenermaßen draußen – sei es im Wald oder auf dem Feld. Die heutige Freiluftkultur ist ein neuzeitliches Phänomen. In den 1980er Jahren in der Schweiz waren Straßen voller Außengastronomie eine Seltenheit.

Ich habe nichts gegen die Freiluftkultur und die von Outdoor-Möbeln gesäumten Gehsteige. Doch ich will nicht um jeden Preis draußen sitzen. Möglicherweise bin ich nicht der Liebling des Servicepersonals, denn Gäste drinnen und draußen gleichzeitig sind eine Herausforderung. Vielleicht schade ich mir mit meinem Plädoyer selbst, doch ich genieße es, fast allein zu sitzen, während sich andere um die Plätze draußen streiten. Noch habe ich die Wahl.


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